Mittwoch, 12. März 2014

Kreidezeit

Der Webauftritt der Konkret lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Sind eben der Ansicht, wenn wir alles online stellen, wer kauft dann noch die Konkret? Doch das ist hier nicht Thema. In der Kreide. So ist ein lesenswerter Text von Leo Fischer (auf seinen Blog ist der Text abrufbar) überschrieben und hier geht es um Kreideinschriften die Frankfurts Straßen (unter anderem) seit geraumer Zeit zieren, oder eher verunzieren. Nicht das Straßen in der Regel schön wären, es sind eben nur Straßen. Doch diese Botschaften nerven mittlerweile.

Das Zeug nervt? Kreide auf der Straße war früher was für Kinder und da durften sie ihre ersten Schreibversuche mit machen und doof mit einen o schreiben. Straßenkreide (Markierungskreide für Unfallaufnahme) für politische Botschaften zu verwenden hat sich seit ein paar Jahren in der Bewegung breitgemacht, besonders bei der Occupybewegung. Weil nicht verboten, keine Sachbeschädigung lässt sich Kreide grad mal auf der Demo anwenden. Soweit so gut erstmal, sollt man meinen und das Zeug ist ja auch beizeiten wieder weggewaschen.
Der Konkretartikel beginnt mit dem Occupycamp seinerzeit vor der EZB.
Protest auf Steinzeitniveau. Die Banker die täglich am Occupy Camp Frankfurt vorbeiliefen, kamen aus dem lachen nicht mehr heraus, wenn sie mit ihren ultramodernen Telefonsystemen Handzettel und Basteleien aus Alufolie fotografierten.
Doch es geht noch einen Zacken regressiver – von der Steinzeit in die Kreidezeit. Seit einiger Zeit laufen durch großdeutsche Innenstädte Aktivisten, die ihre Botschaften mit der geringstmöglichen Halbwertzeit ausstatten – und sie mit Kreide hinterlassen.
Mit Kreide fremdes Eigentum zu bemalen ist legal …… In den Internetforen …… bildet man sich auf die eigene Unerheblichkeit einiges ein – und feiert dabei Helden.
Wie jene in Frankfurt, wo es seit Herbst 2013 praktisch keinen größeren öffentlichen Ort gab, an dem nicht die Botschaft „earthlings.com“  gelesen werden konnte – meist in Kombination mit rätselhaften Mitteilungen wie unreine Haut …..
Über den Film auf youtube auf den diese Botschaften verweisen lesen wir folgende Beurteilung.
Zweifelsohne: Vegetariertum ist eine gute Sache, Veganismus sogar eine sehr gute. Doch keine Sache kann so gut sein, dass sie nicht von deutscher Hand so lange mit Wahn, Haß und Verblendung durchdrungen wird, bis sie von der bösen nicht mehr zu unterscheiden ist.
Nun stellt sich also die Frage, welches Problem machen Kreidebotschaften ausgerechnet in Frankfurt, einer Stadt voll von Graffiti und Streetart und wo es auf den einen oder anderen Strich auch nicht mehr ankommen sollte. Es ist nicht die Kreide, es ist der messianistische Eifer der hier bitter aufstößt. Man schaut sich das Zeug an und auch wenn man grad aus einer Zeitmaschine aus der Vergangenheit käme, nie was von youtube oder der Endung .com gehört hätte, geschweige eine Vorstellung hätte, das es Internet gibt, eines würde auch einen Besucher aus dem Jahr 1980 sofort auffallen. Da hat jemand eine (glaubt er) sehr wichtige Botschaft an seine unwissenden bemitleidenswerten Mitmenschen zu vermelden und die muß er ihnen mit allen verfügbaren Mitteln einhämmern. Sie ist so lebenswichtig das sie jeder, aber auch wirklich jeder lesen sollte. Und er ist von seiner Botschaft überzeugt, wie nur ein religiöser Eiferer von seiner Mission überzeugt sein kann und sie überall verbreiten will um all die armen Seelen vor der ewigen Verdammnis zu retten. Und genau das macht die Geschichte die dahintersteckt ungenießbar. Tierschutz und Kritik an Massentierhaltung sind ja an sich durchaus zu begrüßen und nachvollziehbar. Doch in den Händen der falschen Vertreter wird der Inhalt kontraproduktiv. Wäre man Verschwörungstheoretiker, es wäre naheliegend das Gerücht in die Welt zu setzen, die werden alle von der Fleischindustrie bezahlt um die Gegner der Massentierverwertung zu diskreditieren.
So weit muß man gar nicht gehen, nein, die muß niemand für ihren Wahn bezahlen. Sie arbeiten freiwillig und umsonst und merken dabei nicht mal, dass sie oft genau das Gegenteil erreichen. Irgendwann entstehen auch beim Gutwilligsten Abwehrreaktionen und man fängt an Witze zu reißen. Ich kaufe mein Fleisch nur beim veganen Metzger. Vegetarier fressen meinen Viechern die Körner weg. Natürlich wurde dieses Ferkel gewaltfrei im Beisein seiner Eltern geschlachtet.
Die quasireligiöse Strenge und der messianische Eifer ist es der misstrauisch machen sollte. Von solchen Leuten ist wenig Gutes zu erwarten, sollten sie erst die Macht zu haben. Und so neu ist das auch nicht. Schon in den 20ger Jahren gab es in Deutschland Vegetarier in weiten Kreisen und nicht wenige Intellektuelle, die scharfzüngig Kritik daran formulierten. Manche sahen in diesen, gegen Genussmittel sturmlaufenden Zeitgenossen nur ein Krisensymtom dieser Zeit. Der individuelle Versuch, wenigstens sich selbst durch Verhaltensänderung aus den Krisen retten zu können, wenn schon jeder Versuch die Probleme dieser Zeit zu lösen unmöglich erschien. Reinige dich durch Askese vom Schmutz dieser Welt dann sind Inflation, Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise nur noch halb so schlimm. Den Linken erschien vieles davon recht verdächtig und viele lehnten diese Bewegung als kleinbürgerliche Verirrungen ab, die kaum die wirklichen Probleme der Arbeiterklasse lösen konnten. Eine etwas verkürzte Sichtweise. Die Lebensreformer als Teil der Jugendbewegung der Jahrhundertwende vertraten ebensolche Ideen wie die heutigen Tierrechtsleute, woran wir sehen, hats alles schon mal gegeben.
Und auch in der Reformbewegung der Weimarer Zeit fehlte es nicht an Eiferern und selbsternannten Aufklärern mit oft genug obskuren Theorien. Sie haben (un)würdige Nachfolger gefunden.
Am 12. 4. ist in Frankfurt wieder eine Demo angekündigt. Da darf man die veganen Frustfressen mal live auf der Straße bestaunen und sich die Frage stellen, warum eine an sich gute Sache so wirkungslos bleibt. Ich erinnere hier an eine Spiegeltext vor etlichen Jahren (Offlinesteinzeit) über Naturschutz in dem bereits zu lesen stand, obwohl eine der größten Bewegungen, ist sie doch eine der wirkungslosesten geblieben. Die Gründe für kommen einen erstaunlich vertraut vor.
Soll heißen, Tierschutz als Hobby einer kleinen Gruppe und der Rest lässt allenfalls mal kurzfristig die Finger von den Eiern, wenn mal wieder was durch die Medien geht. Danach ist s schnell vergessen und die nächste Ladung Spiegelei fällig.
Der Konkrettext endet wie folgt.  …..und doch stimmt die Sache eher traurig. Erscheint sein ganzes Tun doch als Karikatur der postmodernen Linken: radikale Vereinzelung, quasireligiös motivierte Selbstbeschränkung in der Wahl von Mitteln und Zielen, Pflege des guten Gewissens statt der guten Sache. Immerhin: Tiere kamen bei den Aufnahmen nicht zu Schaden.


Und so sieht das Zeug aus.
Kreide ist übrigens abwaschbar.