Mittwoch, 26. April 2017

Wenn die Nacht am tiefsten....

Screenshot der PDF Taz.
1982 erschien in der Taz ein Aufruf zum Abo. Dieser Anzeigentext wurde oft zitiert und weiterverbreitet. Zeit für eine Fortsetzung.

WAS FÜR DEN ÜBERBAU DIE BASIS, IST FÜR DIE TAZ DAS ABO.

Du warst 68 dabei.
Du trugst den Parka mit den Einschußlöchern.
Ho Tchi-Minh hatte einen guten Genossen in dir. 
Später hast du dich mit dem Proletariat verbündet. 
An jedem 1. Mai hast du deinen Blaumann angezogen und den Schraubenschlüssel eingesteckt.
Doch das Proletariat hat dich verraten.
Das war zuviel. Du gingst in die innerne Emigration.
Backzwang war dir nicht fremd. Aber schweben will gelernt sein, vor allem wenn die Radioaktivität dich zu Boden zwingt. 
Der AKW Aufkleber gab dir wieder Auftrieb.
Deine Parzelle in Gorleben hast du zu atomwaffenfreien Zone  erklärt.
Doch das Hissen der Fahne hat dich zuviel Kraft gekostet. 
Den Container in Brokdorf konntest du nicht mehr leerschaufeln. 
(Aus Mitgefühl zogen andere mit einen Seil den Container von der Straße.)
Es ist still und dunkel um dich geworden.
Die RAF hungerstreikt mal wieder und eine neue Generation besetzte Büros. Du wurdest zum Zuschauer.
Kids frisch von der Schule setzten sich die Hasskappe auf. Du standest am Straßenrand.
Du bekamst Sprüche zu lesen wie diesen. You‘r to old, your hair ist to long. Da wurde dir klar, du hast auf die Jugend kein Urheberrecht.
Neue Kämpfer sahen die Revolution am Horizont. Du schwiegst betreten.
Feministen führten eine Hasskampagne gegen ihre Typen. Dir fiel nichts mehr dazu ein.
Feministen und ihr Anhang verunstalteten die Sprache mit dem BinnenI. Linke Blätter lesen wurde zur Zumutung. Zum Glück blieb dir ja noch die FAZ.
Mit Fanatismus und nervender Propaganda lief eine Rassismuskampagne durch den linken Blätterwald. Du hättest gerne gesagt, daß es langsam nervt, aber dann wärst du ja Rassist.
An den Wänden erschienen Zeichen die dir arabisch vorkamen, andere sprachen von Hieroglyphen. Du standest an der Station und eine vollgesprühte S-Bahn fuhr ein. Du begriffst nicht, wer sowas macht und warum. Da dämmerte es dir, die Welt der Jugendlichen ist dich schon sehr fremd geworden.
Du verirrtest dich auf ein politisches Szenetreffen und wurdest angestarrt, als wärest du ein Bullenspitzel. Da begriffst du endlich, du wurdest gerade Opfer des szeneeignen Jugendmythos.
Dann fiel dir auch noch die Mauer auf dem Kopf. Du befandest, die Revolution fand im falschen Teil Deutschlands statt. Das Leben ist eben unfair.
Zusammen mit Genossen aus dem Osten standst du im Wasserwerferregen der ‚Nie wieder Deutschland Demo‘ und wußtest, es ist nur ein Rückzugsgefecht.
Dann kamen dir saufende und tanzende Kids mit Lautsprecherboxen auf Kleinlaster entgegen und nannten das Nachttanzdemo. Eine derartige Demo überstieg dein Weltbild.
Am 1. Mai standst du in der Kundgebung alter Herren und dachtest, my Generation.
Du hast dich in eine Blockupydemo verirrt und mußtest feststellen, alle fotografierten munter mit Diggi, Cam oder I- Phone und niemand konnte sie stoppen. Du dachtest, in deiner Jugend hat es sowas nicht gegeben und hast dich dabei erinnert, du hast dich eben angehört wie ….. nein, das wäre jetzt zu peinlich.
Das Internet war dir fremd aber du hast dich irgendwann doch aufrichtig bemüht. Dummerweise mußtest du erleben, daß die Zensur auf linken Seiten der in Stalins Sowjetunion in nichts nachsteht.
Du fandest im Netz Parteireste, an deren Existenz du nicht mehr geglaubt hast. Über den Inhalt konntest du nur verständnislos den Kopf schütteln.
Es ist noch dunkler um dich geworden. Viele sind aus deinem Leben verschwunden. Nur die TAZ ist immer noch da. Wäre das nicht ein guter Zeitpunkt sie endlich zu abonnieren? Und wer weiß, möglicherweise druckt sie zum ersten Mal einen Leserbrief von dir? Nach all den Jahren? ;-)))